Eine halbe Stunde vor Sitzungsbeginn. Beinahe im Sekundentakt pumpt die Hauptstadt einen Strom dunkler Wagen durch die Absperrgitter auf den Friedrich-Ebert-Platz. Die Nummernschilder B-FD kennzeichnen sie als „Fahrdienst“. Ein Trinkgeld für den Chauffeur, Türenschlag, kurzes Nicken in die Runde. Durch eine gläserne Sicherheitsschleuse geht es in das Reichstagsgebäude.
Zutritt haben nur die 709 Abgeordneten und ihre Mitarbeiter. Journalisten nehmen den Eingang im Norden, die Besucher kommen von Westen her. All dies wird gesichert von der Polizei beim Deutschen Bundestag, einer eigenen Einheit ohne Uniform, erkennbar an ihren kleinen Wappen am Anzugrevers. Sie untersteht direkt dem Bundestagspräsidenten. Mancher Parlamentarier gönnt sich eine letzte Zigarette am öffentlichen Ascher links vom Eingang. Zwischen den hohen Säulen warten Mitarbeiter, die noch rasch die Termine des Tages besprechen wollen.
Ein Rudel Kameramänner und Tonassistenten hofft auf die Gelegenheit, ein kurzes Statement abzugreifen. Bietet sie sich, entsteht eine Mikrofontraube, oft beschmunzelt von Mandatsträgern, die im Schatten der medialen Aufmerksamkeit für ihre Kollegen unentdeckt ins hohe Haus huschen können.
Um Punkt neun Uhr steht der gesamte Saal. Der Bundestagspräsident eröffnet die Sitzung: „Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte nehmen Sie Platz.“
aus: FOCUS 22/2018